Heilung vom Guten - A True Love's Kiss

„Wir fahren nach de Efteling!“ – was war das für eine Aufregung, wenn es wieder soweit war. De Efteling ist ein Themenpark in den Niederlanden in wunderschöner Natur gelegen, die Wege führen vorbei an Seen, Gärten, über breite Baum-Alleen und verwunschene Waldpfade, über die Schienen einer alten tuckernden Dampfeisenbahn, über Brücken und Bäche mit Wasserfällen. Die Attraktionen von Karussells für die Kleinen bis zu Achterbahnen und Riesenschiffschaukeln für die Großen sind eingebettet in ein blühendes Meer aus Blumen und jede ist mit Liebe fürs Detail gestaltet und umrahmt von einem fantastischen Märchen oder einem spannenden Abenteuer, welches es zu entdecken oder erforschen gilt.
Auf Tage im Efteling fieberte ich als Kind länger und aufgeregter hin als auf Weihnachten und Geburtstage. Noch als Student und Erwachsener verabredete ich mich mit alten Schulfreunden zu Tagen im Efteling, und das Vergnügen war immer noch genauso märchenhaft wie beim ersten Kindergartenausflug!
Lange schon war ich nicht mehr dort gewesen, bald 20 Jahre, und in diesem Jahr durfte ich ein Wunder der ganz anderen Art im wundersamen Vergnügungspark erleben.
Im Mai machten Michael und ich uns mit unserem Pflegesohn auf nach de Efteling. Der Park war makellos gepflegt und um einige Attraktionen reicher. Es waren warme Frühlingstage mit strahlender Sonne und fast jedes Fahrgestell war ohne Wartezeit zugänglich. Kurz und gut: traumhafte Voraussetzungen.

Schon als ich zu Beginn des Tages im Blütensessel durchs feenhafte Elfenschloß schwebte, bemerkte ich eine große Veränderung – in mir. Ich war vergnügt und es machte genauso viel Spaß wie früher, aber das Hochgefühl, an das ich mich noch ganz genau aus meiner Kindheit erinnern konnte, tauchte nicht wieder auf. Was war passiert?
Ich erkundete das Ausbleiben des Gefühls noch auf der Riesenschiffschaukel, der Wildwasserbahn, in der verwunschenen Villa Volta und der Fata Morgana. Selbst auf meiner Lieblings-Achterbahn mit Doppel-Looping stellte sich nicht das Efteling-Hochgefühl ein.
Wie hatte de Efteling das früher geschafft?
Wie funktioniert so ein Vergnügungs-Park?
So ein Park funktioniert in einer Welt aus Hochs und Tiefs.
Meine Kindheit war stellenweise furchtbar, hatte viele durchschnittliche Phasen, manches Schöne und einige Höhepunkte. Ein Mix wie ihn so oder ähnlich vermutlich die meisten von uns kennen. Das Leben eben! Es gibt Tiefs und es gibt Hochs.
Man lernt mit der Zeit, die Tiefs möglichst zu vermeiden oder zu minimieren und möglichst viele, lang anhaltende Hochs zu haben.
Die Hochs sind zum Beispiel Feierabend, Wochenenden, Cocktails unter Palmen, Urlaube, Hobbies, guter Sex, die Zigarette danach, Pizza, Eiskreme, Studienabschluss, Karrieresprünge, neues Auto, Haus, Kind, Rente...
Und manche begeben sich auf ihrer Odyssee des Lebens früher oder später auf den Weg, ihre Tiefs zu heilen: Depression, Burnout, Auto-Immun-Erkrankung, chronische Schmerzen... unsere „STOP-Schilder“.
Für viele, wie für mich auch, eine hoffnungsvolle Zeit, in der man Dinge über sich selbst verstehen lernt, über das Leben und Menschen an sich, und in der die Tiefs vielleicht sogar weniger werden.
Man hat vielleicht ein bisschen an der Ernährung geschraubt, ein paar schlechte Gewohnheiten durch Gute ersetzt, ein paar alte Bücher ausgemistet, dafür ein paar neue im Regal und auch in Beziehungskisten aufgeräumt, und kann jetzt „Nein“ sagen.
(Etwaige Parallelen zum Leben des Autors sind unbeabsichtigt und rein zufälliger Natur.)

Wenn man sich in dieser Phase schlau verhält, Einsatz und langen Atem zeigt, hat man bald ein gutes Management der Hochs und Tiefs gelernt. Die Hochs mögen noch im Laufe des Lebens im Geschmack variieren, d.h. was früher das Tote Hosen Konzert war, ist jetzt möglicherweise die Selbsterfahrung auf der einsamen Bergspitze, doch bleibt für viele die Grundbewegung erhalten. Die Erinnerung und/oder die Vorfreude hält das Hamsterrad in Bewegung in den Zeiten zwischen 2 Hochs, für manche auch nur die Hoffnung auf ein ersehntes Hoch.
Das Phänomen gibt es sogar mikroskopisch klein. Wenn ich z.B. von einem Zimmer ins nächste gehe, mag mir im besten Fall die Tätigkeit in Zimmer 1 gefallen und auch die Tätigkeit in Zimmer 2, aber der Weg von Zimmer 1 nach Zimmer 2...?
...Ist für uns normalerweise irrelevant – wenn wir uns überhaupt daran erinnern, wie wir die Treppe gegangen und Türen auf- und zugeschlossen haben.
Und so war es mit de Efteling!
De Efteling gehörte zu den besonderen Hochs, sogar bis heute – und heute bin ich 40!
Und dann verstand ich, warum es kein Hochgefühl gab.
Mein Grundlebensgefühl war reicher und voller als alles, was am „Bankett“ dieses Freizeitparks aufgefahren worden war.
Auf dem Weg vom Fahrgeschäft zurück zu meiner Familie, noch etwas schwindelig vom Doppel-Looping, erkannte ich andächtig, dass sich mein Leben nicht mehr in der Spannung zwischen Hochs und Tiefs abspielte, obwohl es beides noch gab.
Ich fühlte mich in mir ruhend.
Das, was ich in mir fühlte, war so viel tiefer und größer als die Attraktionen mir bieten konnten, dass ich erstmal verdutzt inne halten musste. Still und leise hatte sich dieses Erfüllt-Sein über die vergangenen Jahre entwickelt und war mir gar nicht so bewusst gewesen.
Das Schöne war, dass der Freizeitpark nicht langweilig oder doof geworden war. Wir konnten Spaß haben wie früher. Aber die Freude im Inneren, das leichte Gefühl, ich zu sein, die Art zu leben, einschließlich aller Arbeit und Verantwortung, war um Dimensionen bunter und reicher als die Welt von de Efteling.
Auf dem Weg nach Hause wurde mir bewusst, dass alles mit einem einfachen Alltagswerkzeug angefangen hatte: Selbstfürsorge.
Ich hatte mein Leben durchforstet – wieder und wieder – mit der Frage: wie kann ich in meinem Alltag wirklich für mich sorgen?
Und das mache ich bis heute. An jedem Tag.
Was irgendwann mal angefangen hatte damit, dass ich bei kaltem Wetter lange Unterwäsche aussuchte, um keine kalten Füße mehr zu haben
oder in der Küche keine stumpfen Messer mehr benutzte sondern nur noch gut Geschärfte
oder lernte, anderen Menschen ehrlich zu sagen, was ich brauchte, um mich in Gesellschaft wohl zu fühlen...