Frauen

Freunde von mir schlugen vor, etwas über Frauengesundheit zu schreiben und meine erste Reaktion war: Frauen? Was habe ich wohl zum Thema Frauen zu sagen?
Als Mann?
Als Mann, der in Partnerschaft mit einem Mann lebt?
Welche Autorität habe ich wohl, über Frauen oder Frauengesundheit zu schreiben?
Seit ca. 2 Monaten leben mein Partner und ich mit meiner Mutter zusammen. Und durch meine Praxis habe ich Einblick in das Thema Frauengesundheit.
Gibt mir das vielleicht Autorität, über Frauen zu schreiben? Oder hab ich was zu sagen durch mein Wissen aus Frauengesundheits-Zeitschriften und -Magazinen, wie dem „Women-in-Livingness-Magazin“, das Freundinnen und Kolleginnen herausgeben?
Dabei fragte ich mich, welches Bild ich von Frauen habe.
Frauen müssen für mich keine bestimmte Brustgröße haben, keine bestimmte Körperform, müssen für mich keine Bedürfnisse befriedigen, nicht das Essen kochen, nicht den Haushalt schmeißen, weder schwach noch stark noch fleißig sein... Ich fand einfach kein Bild.
Das hat mich richtig stutzig gemacht, denn die Gesellschaft suggeriert mir jahrein-jahraus, tagein-tagaus pausenlos, wie Frauen auszusehen und zu sein haben – und wie Männer zu sein haben.
Meine Frage an Frauen wäre:
Welchem Bild folgt ihr?
Und mir selbst stelle ich die Frage, welchem Bild von einem Mann folge ich?
Da erlaubt mir das Leben als schwuler Mann einen besonderen Blickwinkel.
Schon als Kind habe ich mich gefragt, was eigentlich immer für ein Ding daraus gemacht wird, zwischen Männern und Frauen zu trennen. Das schien und scheint mir immer noch das Unnatürlichste der Welt zu sein.
Ich kenne keinen Mann, der nicht in seinem Innersten genauso feminin sein kann wie eine Frau.
Ich kenne keine Frau, die nicht im Innersten genauso zart sein kann wie jeder Mann.
Zugegeben, es gibt deutliche Unterschiede im Körper, die haben ihre Geschichte, ihren Zweck. Und damit einher gehen bestimmte Krankheiten oder Themen, mit denen nur das jeweilige Geschlecht konfrontiert wird, wie Brust- oder Prostatakrebs und vieles mehr. Ja, Frauengesundheits-Zentren beziehungsweise Urologische Praxen mit hauptsächlich männlichem Klientel haben beide ihre Berechtigung.
Aber was machen wir daraus?
Wenn ich das Wort „Frauen“ sage, resoniert jede Zelle meines Körpers gleichermaßen wie wenn ich sage, ich bin in einem männlichen Körper. Frauen sind für mich nicht irgendwelche Anderen mit Problemen und in gesellschaftlichen Konflikten, mit denen ich nichts zu tun habe.
Für mich bedeutet, einen unterschiedlichen weiblichen und männlichen Körper zu haben, eine der größten Lügen in der Geschichte der Menschheit, die uns die Illusion vorgaukelt, dass wir unterschiedlich wären.
„Bist du eine Frau oder ein Mann?“
Noch bevor wir antworten, hat die Frage schon in uns das Konzept konfiguriert oder bestätigt, davon auszugehen, dass wir entweder das eine oder das andere sind, dass es eine Trennung gibt zwischen zwei Hälften der Menschheit, und ich entweder zu der einen gehöre oder zu der anderen.
Die Frage könnte in Wahrheit vielleicht heißen: „Bist du in einem weiblichen oder in einem männlichen Körper?“
Wie viele der Unterschiede zwischen Frau und Mann blieben noch, wenn wir uns nicht mehr mit unseren Körpern und deren Geschlechtsteilen identifizierten? Wie viele der Unterschiede zwischen Frau und Mann blieben noch, wenn wir nicht mehr den Bildern folgten, sondern einfach die wären, die wir sind?
Für mich sind Themen wie sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Gleichstellung am Arbeitsplatz oder Brustkrebs keine Probleme von Frauen, sondern Probleme unserer Menschheit.
Für mich liegt keine Heilung in der Vorstellung, es gäbe keine sexuelle Gewalt gegen Frauen mehr, keine häusliche Gewalt, Frauen und Männer wären gleichgestellt oder keine Frauen erkrankten mehr an Brustkrebs.
Echte Heilung bedeutet für mich, wenn Frauen und Männer nichts mehr trennt.