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Interview: Heilpraktiker-Ausbildung

Vor einiger Zeit sprach mich Florian Mayer von www.ausbildungheilpraktiker.info (ein Info-Portal für Menschen, die eine Heilpraktiker-Schule suchen) darauf an, ob ich ein Interview mit ihm machen würde. Es ging darum, von meinem Alltag als Heilpraktiker zu berichten, von meinen Ausbildungs-Erfahrungen und was ich Menschen raten kann, die überlegen, Heilpraktiker zu werden. Klar hab ich "Ja" gesagt!

Das Ergebnis findet ihr auf Florians Webseite, bzw. hier als Blog:

 

Hallo Felix, schön, dass du dir Zeit für unser Interview genommen hast. Stell dich doch unseren Lesern kurz vor?

Mein Name ist Felix Kremer und ich bin 37. In Norddeutschland am Rande der Lüneburger Heide lebe ich in einem kleinen Dorf an der Bahnstrecke zwischen Bremen und Hamburg und arbeite als Heilpraktiker für Psychotherapie. Zur Zeit bauen mein Mann und ich ein Haus mit Praxis, wo wir in 2017 mit meiner Mutter zusammen eine WG gründen werden.

Ich liebe Menschen, seit ich denken kann und wusste schon früh, dass mein Beruf mit Menschen zu tun haben sollte. In Köln habe ich Heilpädagogik studiert und meine ersten Beratungen mit Freunden und Bekannten im Studentenzimmer improvisiert. Learning by doing. Ich bin schon immer von Anfragen eher überrollt worden, was mich schon recht früh im Leben ins Burnout getrieben hat. Uni und die klassischen Ausbildungswege hatten mich nicht darauf vorbereitet, was im Leben, hinter verschlossenen Türen, in Ehebetten, in Büros, Konzernen und Politik so alles passiert. Meine heutige Arbeitsweise, die gleichzeitig Lebensweise wurde, lernte ich bei Universal Medicine. Das war die erste Ausbildung, bei der es zunächst einmal darum ging, wirklich alltäglich zu lernen, für sich selbst zu sorgen - bevor man für andere sorgt.

Die Ausbildung findet hauptsächlich in England statt. Serge Benhayon, der Gründer von Universal Medicine, bietet dort 2x jährlich Aus- und Fortbildungsblöcke an.

Zu Schulzeiten dachte ich, meine Feinheit wäre eine Schwäche, die ich besser mal verstecken sollte. Jetzt habe ich sie als meine Kraft erkannt und zu meinem Beruf gemacht. Die Therapie ist eine besonders sanfte Form der Körpertherapie und ich behandle Menschen jeden Alters und aus allen Bereichen des Lebens.

Ich liebe den Kontakt zu den Menschen im Dorf, bei Edeka an der Kasse ein Pläuschchen zu halten, in meiner Lieblings-Stadt Hamburg zu shoppen, Spaziergänge mit meinem Mann durch die Heide vorm Haus und den Duft und das Licht in den Bergen bei Sonnenuntergängen in der Provence.

 

Was war deine Motivation, sich zum Heilpraktiker ausbilden zu lassen?

Als ich als frisch gebackener Diplom-Heilpädagoge von der Uni kam, war ich noch längst nicht auf einen Praxisalltag vorbereitet. Wie jeder Anfänger das wohl mehr oder weniger muss, stürzte ich mich kopfüber etwas bibbernd in die Beratungswelt und fing einfach an. Ich hatte zwar jede Menge Werkzeuge und Theorien gelernt, aber der Alltag mit den Klienten war ziemlich anders. Meine größte Unsicherheit war, wen darf ich eigentlich beraten und wen nicht?

Wann hat jemand eine depressive Verstimmung und es reichen Gespräche und liebevolle Begegnung? Und wann muss ich jemanden zum Arzt schicken, weil er oder sie vielleicht in lebensbedrohliche Situationen geraten könnten?

Eines Tages kam ein Klient mit einer Wahnvorstellung und Stimmengewirr im Kopf zu mir in Beratung. Ich erklärte freundlich, dass ich nicht der richtige Ansprechpartner sei und wir beendeten die Sitzung in beidseitigem Einvernehmen. Doch abends um 22 Uhr stand der Patient wieder bei mir vor der Tür. Nichts in meiner bisherigen Ausbildung hatte mich auf solch eine Situation vorbereitet. Ich begleitete den Klienten zum nahegelegenen Krankenhaus und holte mir dort bei der psychiatrischen Notaufnahme die nötigen Infos. Der Klient verweigerte eine medizinische Behandlung. Ich erfuhr, dass meine Rechten und Pflichten an dieser Stelle aufhörten und ging wieder nach Hause. Für mich war klar: Jetzt brauche ich dringend eine Zusatz-Qualifikation.

Ich recherchierte und fand, dass die Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie genau das bot, was ich brauchte: Schulung in allen gängigen psychischen Krankheiten, in differenzierter Diagnosestellung, in der Unterscheidung von Symptomen, welche ich behandeln darf und welche nicht sowie im Umgang mit Notfallsituationen – woran erkenne ich die, wie verhalte ich mich, an wen wende ich mich?

 

Wo hast du deine Ausbildung genossen?

Meine Vorbereitung zur Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie habe ich beim HIKH (Hamburger Institut für Klassische Homöopathie) bei Charlotte Bunsen durchlaufen. Die Ausbildung dauerte nur 10 Wochen und fand jeweils mittwochs an den Nachmittagen statt. Die Schule liegt in Hamburg Altona/Ottensen. Super gut erreichbar mit den Öffentlichen. Es gab immer frische Blumen, Tee, Kekse in der Adventszeit... Und Charlotte war ein Volltreffer. Ich musste nicht viel für die Prüfung lernen, weil ihre Vorträge so anschaulich, fundiert und praxisbezogen waren, dass schon nach 1x hören das meiste intus war. Und gelacht haben wir! Was das Zeug hält. Und auch mal ein Tränchen vergossen beim Filmeabend in Charlottes Praxis, zu dem wir uns in privater Zeit getroffen haben. Es ging um den Fall einer schizoiden Psychose und wir haben nachher zusammen die Symptome diagnostiziert.

Super hilfreich fand ich die Prüfungsfragen, die am Ende jeder Einheit geübt wurden. Da Charlotte alle Prüfer persönlich kannte, waren wir perfekt vorbereitet! Die Prüfungssimulation, die Teil der Ausbildung war, war eigentlich schon gar nicht mehr nötig.

 

Worauf sollten Interessenten achten, wenn sie sich für eine Heilpraktikerschule entscheiden?

Zuerst könntest du dir ausrechnen, wie viele Wochenstunden du für die Ausbildung inklusive Reisezeit zur Schule zur Verfügung hast. Wenn dein Alltag nicht viel Raum zulässt, ist eine Fern-Uni eine Möglichkeit, denn du sparst die An- und Abreisezeit. Ein oder zwei Stunden wöchentlich sind schon viel Zeit, die ansonsten ins Studium fließen könnten.

Der Vorteil bei einer Schule vor Ort ist, dass man immer auf die Spezialitäten des zuständigen Prüfungskommitées vorbereitet werden kann. Wenn möglich, besuche einen Info-Abend oder setze dich als Gasthörer in den Unterricht. Mit dem Lehrer/der Lehrerin steht und fällt die Schule, finde ich. Es spart dir viel Mühe und Zeit, wenn dich der Lehrer motiviert. Wenn der Stoff gut vermittelt ist, musst du nicht so viel pauken. Bei einem Fernstudiengang, so wie ich ihn zur Zeit mache (zum Heilpraktiker beim ILS), ist das Unterrichtsmaterial entscheidend. Mache Leseproben und prüfe, ob du die Lernhefte gerne öffnest, ob dich die Optik nicht ermüdet, ob Kursaufbau und Sprache für dich verständlich sind. Die Fern-Unis stellen das Material für solche zwecke gerne kostenlos zur Verfügung. Mir hat diese Web-Seite wunderbare Dienste geleistet, wo verschiedene Schulen verglichen werden und man alle entscheidenden Infos auf einen Blick findet. (by the way: Tolles Angebot, Florian!!)

Wenn du etwas höhere Ansprüche an deine Ausbildung hast, nimm dir etwas Zeit, deinen Ausbilder kennen zu lernen: Wie geht er mit Menschen um, ist er pünktlich, gut organisiert, hat er ein geregeltes Privatleben, wie läuft seine eigene Praxis, steht er mitten im Leben...? Das sind Dinge, die ich gerne prüfe, denn ich weiß, dass all das eine Wirkung auf meinen Ausbildungserfolg hat. Viele Dinge werden jenseits von Worten und Power-Point-Präsentationen vermittelt und die beeinflussen mich und meine Gewohnheiten. Wenn ich selbst nicht so der organisierte Typ bin und mein Lehrer das voll drauf hat, kann er mir helfen, organisiert zu lernen, auch wenn das nicht Teil des Unterrichtsstoffes ist. ...Umgekehrt gibt es diesen Effekt natürlich auch!

 

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

Wenn ich zu Beginn meines Arbeitstages meine Augen schließe, weiß ich, der Tag ist komplett. Es ist ca. 21 Uhr abends und mein Tag beginnt. Mit Stille. Mein Körper ist warm und ich weiß, es liegen ca. 6-7 Stunden tiefer erholsamer Schlaf vor mir. Das ist mein Luft holen für den Tag. Jeden Tag. 7 Tage die Woche. Immer die gleiche Uhrzeit.

Dunkelheit, ich liege auf dem Rücken (so wie ich eingeschlafen bin). Ich werde wach. Kein Wecker. Es ist zwischen 3 und 4 Uhr morgens. Mein Körper ist voller Erwartung, sich zu bewegen, Menschen zu begegnen und zu leben.

Die Morgenstunden beginnen mit mir, warm einpacken (Sommer wie Winter), ein paar Dehnübungen, etwas trinken, Ofen anzünden, Kerze oder Räucherstäbchen anzünden und dann geht’s an den Computer.

Gibt es SOS Mails? Ich lese alle Emails und beantworte die dringenden.

Ich schreibe. Kommentare auf Blogseiten, eigene Blogs, an einem Buch, Dinge, für die ich so klar wie möglich sein sollte– ich sammle Eindrücke für den Tag und beobachte, was los ist in der Welt, meine Patienten in den Emails, Face-Book-Posts, Blog-Posts, Nachrichten – und ich beobachte meine Reaktion darauf, die Qualität dessen, was ich schreibe. Gelassenheit? Frust? Kalte Füße? Verspannte Schultern? ...

Session für mich und meinen Mann. Der hat meist schon das Essen für den Tag gekocht und dann setzen wir uns zusammen und tauschen uns aus, wie geht’s, was steht an. Kuscheln (wichtig!). Entsprechend dem, wie es uns geht, kommt jeder auf die Liege und wird behandelt. Ah! Das ist mein Frühstück. Und einer der Gründe, warum ich abends nach 6-8 Patienten nicht erschöpft bin.

Körperpflege.

Körpertherapie ist meine Berufung und die lebe ich absolut. Auch unter der Dusche! Mein Körper gibt mir Infos darüber, was ich am Tag brauche. Welche Stellen sind empfindlich, kühl, warm, hart... Ich nehme mir Zeit, jeder Tag hat seinen eigenen Duft, Farben, Kleidung. Je bewusster ich in meinem Körper präsent bin, desto klarer, liebevoller kann ich in den Behandlungen sein.

Und schließlich: Haus & Praxis.

Wollmäuse? Spinnweben? WC geputzt? Saubere Händehandtücher? Liegenbezüge? Seifenspender? Frisches Trinkwasser? Tassen? Kissen aufgeschüttelt?

Den Putz- und Gartenjob könnte man auch outsourcen, ich mach den gerne selbst und zusammen mit meinem Mann, weil auch das mir Infos darüber gibt, wo ich gerade stehe. Wo eine unaufgeräumte Ecke ist oder wo ausgemistet werden kann oder einfach um zu genießen, weil ich mich wohl in meinen Räumen fühle!

 

Auf diesem Fundament steht der Rest des Tages. Wenn der erste Patient klingelt, zwischen 7 und 9 Uhr, habe ich schon einen halben Arbeitstag hinter mir.

 

Die eigentliche Zeit mit den Patienten ist ca. 8 Stunden von montags bis freitags