Projekt Garderobe 001

Klamotten kaufen?
Furchtbar. Sitzt nicht. Passt nicht. Finde nix.
So war es mein Leben lang. Von den Kinderjahren, während derer ich die alten Sachen der Verwandtschaft aufgetragen habe durch die komplette Jugend mit all ihrem Gruppenzwang und Markenklamottenwahn bis hin ins Erwachsenenalter war mir das Thema Kleidung ein Gräuel.
Immer wieder waren mir Menschen aufgefallen, die eine natürliche Gabe zu haben schienen, sich einfach gut zu kleiden. Kleidung, die den Körper betont, unterstützt, ziert, ehrt und in der die Menschen einfach gut aussehen. Kleidung, die den Körper wie ein Gedicht umhüllt.
Was mir mit der Zeit
mehr und mehr bewusst wurde war,
dass ich mich eigentlich kleidete,
um mich zu verstecken.
Alle Klamotten waren ein Tickchen bis viel zu groß, weil mir von Kindheit an gesagt worden war, ich sei zu mager - ich diese Bewertung teilte und nicht wollte, dass sich mein dünner Körper durch die Kleidung abzeichnen könnte. Farben waren immer so gewählt, dass sicher gestellt war, nicht gut auszusehen. Noch dazu sollte die Kleidung praktisch sein und keine Arbeit machen (bitte nicht bügeln...).
Ich bat eine Freundin, mir beim Ausmisten und Verändern meiner Garderobe zu helfen. Und als ich meinem Mann davon erzählte, sprang er gleich auf den Zug mit auf und wir begannen damit, erstmal alles Vorhandene Material zu sichten.

Da gab es so viel, was offensichtlich ausgemistet werden konnte. Verwaschene alte Kleidung, die wir kaum noch anzogen, aus der Form geratene Unterwäsche, ausgeleierte Socken, löchrige T-Shirts usw. Damit fingen wir an und bei Jennys Ankunft hatten wir schon ein Drittel des alten Ballasts selbständig zur Altkleidersammlung gebracht.
Und jetzt ging's richtig los:
ALLE Klamotten raus aus dem Kleiderschrank – rauf auf einen großen Haufen – jedes Paar Socken, alle Wäsche, Gartenkleidung, Schuhe, Schals, Schmuck – alles zeigen.
Da war ich schon im Schwitzen, auch wenn mein Berg gar nicht so groß war.
Schon beim Ausräumen wurde mir bewusst, wie wenig Wertschätzung in dieser Garderobe steckte. Es gab kaum ein Kleidungs-Stück, was sich wirklich samtig und schön auf der Haut anfühlte. Kaum ein Kleidungs-Stück hatte wirklich Pfiff.
Der Haufen war ein großes graues Einerlei, zu große Jeans, zu große Jogginghosen, bedruckte T-Shirts, weite Kapuzenpullover – ziemlich schnell entstand ein zweiter Haufen: der Nein-Haufen.
Wir hatten viel viel Spaß dabei, offen zu legen, wie sehr ich mich mein Leben lang versteckt hatte. Es war so offen-sichtlich! Wenn auch erschreckend! Selbst meine „Lieblings-Klamotten“, die zunächst auf dem dritten Haufen gelandet waren, dem Vielleicht-Haufen, entpuppten sich als Kartoffelsäcke, in denen ich mich nicht ich selbst fühlte und mich nicht harmonisch bewegen konnte. Der „Vielleicht-Berg“ wurde kleiner, der „Nein-Berg“ größer!
Dabei entschied immer ich.
Nur ganz selten gab es von unserer Freundin ein augenzwinkerndes „NO-GO! Das lasse ich dich nicht anziehen, das ist verboten und kommt nicht an deinen Körper!“ Spätestens, wenn sie dann ein Foto von mir gemacht hatte, wusste ich, sie sagt die Wahrheit:
Mit gezielten Fragen oder manchmal einem Foto, entwickelte ich ein Gefühl dafür, meinen Körper in der Kleidung wahrzunehmen und zu spüren, was für Kleidung ich mir eigentlich wünschte, was ich mag, was mir Spaß macht und was mich unterstützt, ich selbst zu sein.
Nach 2 Stunden Schwitzen, Lachen und Weinen hatte ich das Gefühl, wirklich alles von mir gezeigt zu haben. Es gab einen riesigen Nein-Berg. Und einen winzigen Ja-Berg (4 Kleidungs-Stücke und 5 paar Socken). Es gab am Schluss noch einen kleinen dritten Haufen: „der Garten-Haufen“. Der neueste und noch am besten sitzende Pullover sowie meine kürzlich erstandene Winterjacke waren noch als Gartenkleidung erlaubt!
Ich war befreiter. Und zusammen hatte es sogar Spaß gemacht. UND: Ich konnte es kaum erwarten, einkaufen zu gehen. Hier schon wusste ich, die Aktion hatte sich mehr als gelohnt.
Kleidung ist Teil eines jeden Tages meines Lebens – also werde ich jeden Tag
für den Rest meines Lebens
von dieser Erfahrung profitieren.
Und das war erst der Anfang – jetzt ging's ab in die City!