Richtig oder Falsch?

Richtig oder Falsch?
Erdbeereis oder Vanilleeis?
Haus kaufen oder zur Miete wohnen?
Schulmedizin oder Alternativmedizin?
Evangelisch oder Katholisch?
Bei 'orange' noch über die Ampel fahren oder anhalten?
Stop!
Wo genau führen mich diese Fragen eigentlich hin?
Lange Zeit habe ich versucht, immer genialere Methoden zu entwickeln, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.
Ich habe das breite Spektrum an konventionellen und alternativen Fortbildungen abgegrast und richtig viel Zeit und Geld investiert.
Und mit jeder neuen, noch genialeren Methode wurde ich ein bißchen arroganter, ganz klammheimlich und nahezu unbemerkt natürlich, weil ich meine Ideale ein bißchen besser erreichte, als die Menschen um mich herum. (nur noch Bio einkaufen, Vegetarier oder gar Veganer sein, gesund leben, überall Müll aufheben...)
Eines Morgens (!) saß ich im Zug, und im Gruppenabteil war eine Horde Betrunkener eingefallen – ein Betriebsausflug. Alkoholausdünstungen, Rülpser, die Lautstärke, die derben Witze auf Kosten von Minderheiten... das volle Programm!
„Die armen Betrunkenen“, dachte ich mir, „denen hilfst Du jetzt, indem Du bewusst bei Dir bleibst und ihnen ein Beispiel für anständiges Benehmen bist.“
Puh, nachher war ich ganz traurig und fühlte mich ziemlich alleine.
Da habe ich die enorm trennende Wirkung von Idealen und der damit versteckten Arroganz erlebt.
Hätte ich auf meinen Körper gehört, wäre ich aufgestanden und hätte mir einen anderen Platz gesucht. Das war schlicht und ergreifend das, was mir mein Körper eigentlich signalisiert hatte. Ohne die Gruppe zu bewerten – einfach meinen Körper wertschätzen und für mich sorgen.
Stattdessen habe ich mich vom Körper – und von den Menschen um mich herum – getrennt, Bruchlandung im Kopf, Liebe nicht mehr spürbar.
Das Denken in den Kategorien von 'richtig' und 'falsch' gehört zu den effektivsten Methoden, Liebe abzuwehren. Vor allen Dingen wehre ich so die Liebe ab, die ich selbst bin.
Diese Art zu denken kommt mir vor wie ein Nebel, der um uns Menschen wogt und der sich in unsere Gedanken schleicht, wenn wir nicht ganz bei uns sind. Schwupps hat's uns wieder erwischt! „Hab ich das auch richtig gemacht? Hätte ich das nicht besser hinkriegen können?“
Mein Körper gibt mir heute alle Antworten. Bis ins Detail. Und sofort.
Jeckerweise hat er allerdings noch nie gesagt: „Das war falsch.“ oder „Das war richtig.“ Ich fühle mich nur anders. Mal leichter – mal schwerer. Mal weiter – mal enger. Mal größer – mal kleiner. Mal aufgerichteter – mal krummer. Mal wärmer – mal kälter. Mal wacher – mal müder...
Alles, was ich brauche, ist Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit dabei, mich zu fühlen.